
Die Bundesregierung geht mit fast vollständig neuem Personal und erfreulich vielen Frauen an den Start. Auch im Bundesgesundheitsministerium hat eine Frau die Amtsgeschäfte übernommen. Das ist wenig verwunderlich, denn oft sind es Frauen, die ungeliebte und besonders schwierige Aufgaben und Positionen annehmen. Für die Gesundheitspolitik gilt das in besonderem Maße, denn dort warten riesige Probleme auf eine Lösung. Mit Nina Warken betritt ein neues Gesicht die gesundheitspolitische Bühne. Sie übernimmt ein sehr komplexes Thema mit einer gefürchteten Landschaft widerstreitender Interessen und schwer abschätzbarer Wirkmechanismen. Der Status der Quereinsteigerin kann aber helfen, unvoreingenommen und mit gesundem Menschenverstand ans Werk zu gehen und so zu richtigen Entscheidungen zu kommen.
Bundeskanzler Merz hat die Gesundheitspolitik als eine der schwersten Aufgaben im Bundeskabinett beschrieben. Wie schwierig sie ist, darüber gibt auch die gesundheitspolitische Passage des Koalitionsvertrags wenig Aufschluss. Vor allem bleibt die über allem schwebende Kernfrage der finanziellen Tragfähigkeit der Kranken- und Pflegeversicherung erneut unbeantwortet. Es wird deshalb die Aufgabe der Ministerin sein, schnell Lösungsstrategien zu entwickeln. Keinesfalls wird man damit bis zum Jahr 2027 warten können, für das der Koalitionsvertrag die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe avisiert. Der überfällige Paradigmenwechsel vom Wünschenswerten zum Machbaren muss jetzt schnell erfolgen. Für eine stabile Kranken- und Pflegeversicherung ist es essenziell, Personal und Versorgungsangebote effizienter einzusetzen, pflegende Angehörige weiter zu stärken und zur Maxime der Orientierung der Ausgaben an den Einnahmen zurückzukehren.
Für ihr neues Amt wünschen die Spitzenfrauen Frau Warken alles Gute, viel Erfolg und eine glückliche Hand! Ein Blick in die Ahnengalerie der Ressortchefs zeigt, dass es Minister:innen gab, die ohne Fachwissen ins Amt kamen und große Reformen durchgesetzt haben. Erinnert sei an das AMNOG oder das Wettbewerbsstärkungsgesetz vor gut zwanzig Jahren. Aus Sicht der vielen Frauen im Gesundheitswesen ist es jedenfalls eine gute Nachricht, dass eine von ihnen wichtige Zukunftsentscheidungen treffen wird. Als Mutter kennt sie außerdem die Herausforderung, Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Für die dringend nötige Verbesserung der Rahmenbedingungen für Frauen in Spitzenjobs kann das hilfreich sein.
Das mag über die Tatsache hinwegtrösten, dass frauenpolitische Fragen im Koalitionsvertrag und wohl auch auf den Agenden der maßgeblichen Politiker nicht im Vordergrund zu stehen scheinen. Frauenthemen kommen in dem 144-Seiten-Werk kaum vor. Allenfalls werden Bekenntnisse des guten Willens wiederholt. Konkrete Vorhaben sind kaum zu finden. Immerhin werden im Gesundheits-Kapitel einige Frauengesundheitsthemen (Wechseljahre, Endometriose) explizit angesprochen. Das ist ein Novum in einem Koalitionsvertrag und als Zeichen eines Kulturwandels zu werten. Weitere Schritte für eine angemessenen Teilhabe der Frauen an Entscheidungen sucht man vergeblich. Immerhin wird das Vorhandene auch nicht zurückgedreht. Angesichts des Erstarkens revisionistischer Kräfte hierzulande und jenseits des Atlantiks ist das erfreulich. Für den Öffentlichen Dienst wird eine Führungskräfteoffensive angekündigt. Im Sinne der Frauen könnte auch vorteilhaft sein, dass die Koalition bis 2030 für Lohngleichheit sorgen möchte und plant, die EU-Transparenz-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Für die Spitzenfrauen gibt es also weiterhin reichlich zu tun. Es geht auch für die kommenden Jahre darum, die Perspektive der Frauen im politischen Raum zu platzieren, ihren Anteil an der Macht einzufordern, viele tolle Spitzenfrauen sichtbar zu machen und sich gemeinsam für ein auch in Zukunft leistungsfähiges Gesundheitswesen einzusetzen.