
Gesundheitsförderung in Krankenhäusern, Praxen und in der Pflege? Als Fachfrau für Betriebliches Gesundheitsmanagement sage ich: „Unbedingt! Kein Luxus, sondern die Sicherung eines nachhaltigen Gesundheitssystems für die Gesellschaft.“
Im Gesundheitswesen gewinnen die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden eine immer größere Rolle. Durch die zunehmende Arbeitsbelastung und gleichzeitig steigende Quote der Erkrankungen oder auch schlichtweg fehlendes Personal ist es umso wichtiger, dass wir für diejenigen sorgen und präventiv handeln, die da sind und ihren Teil zur Gesundheit der Gesellschaft beitragen.
Eine moderne Gesundheitsversorgung reagiert nicht nur, sondern arbeitet vorausschauend präventiv und sichert unter anderem dadurch die wirtschaftliche Grundlage der Einrichtungen unseres Systems. Die Ressource Mensch ist trotz technischer Fortschritte und KI unverzichtbar, und der Mensch darf im Fokus stehen. Möchten wir nicht alle lieber in echte Gesichter schauen, wenn wir beim Zahnarzt sitzen, eine Operation bevorsteht oder wir pflegebedürftig werden? Bei genau diesen Menschen ist Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz immens wichtig, um für den Patienten da zu sein, aber auch gesund zu bleiben und die Arbeitskraft zu erhalten.
Was zu dieser Gesundheit dazugehört? Zum einen die körperliche Gesundheit, um die jeweilige Tätigkeit ausüben zu können (z. B. Heben von Pflegebedürftigen), aber auch die mentale Gesundheit, um „voll da zu sein“.
Die betriebliche Gesundheitsförderung setzt genau hier an und arbeitet zum einen in der Verhältnisprävention, das heißt in den Rahmenbedingungen wie z. B. Prozessen, in denen das Gesundheitswesen arbeitet (Stichwort: Arbeitssituationsanalyse). Zum anderen setzt die Gesundheitsförderung aber auch in der Verhaltensprävention an und entwickelt eine individuelle Gesundheitskompetenz, die den Mitarbeitenden unterstützt, Warnsignale zu erkennen und beispielsweise eine Erschöpfungsspirale zu vermeiden.
Wir alle wissen, wie sehr Arztpraxen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und das gesamte Gesundheitswesen unter Termin- und Leistungsdruck stehen. Die Themen anhaltende Stresssymptome, Arbeiten trotz Erkrankung, „nur noch funktionieren“, Steigerung der Fehlerquote bis hin zum Burnout, sind nach wissenschaftlichen Studien und auch nach meiner Erfahrung an der Tagesordnung. In meinen Workshops sitzen regelmäßig Teilnehmende, die täglich über ihre Grenzen hinausgehen und entsprechende Erholungsphasen in der Regel ausbleiben. Um ein gesundes System aufzubauen und die Menschen, die für andere da sind, zu unterstützen, ist eine Gesundheitsförderung mittlerweile unbedingt in die Arbeitskultur einzubauen und von der Führung bis zur letzten Hierarchiestufe zu leben.
Egal, wie groß oder klein die Praxis, das Krankenhaus oder die Einrichtung ist – Gesundheitsförderung umfasst für alle passende Maßnahmen und kann individuell aufgebaut werden. Die Themen Stärkung der Resilienz, Stressmanagement, Achtsamkeit in einem stressigen Praxisalltag, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Burnout-Prävention und Führungskräfte-Schulungen hinsichtlich gesunder Führung können in allen Betriebsgrößen bis hin zu Einzel-Coachings umgesetzt werden. Allen Maßnahmen ist gemein, die mentale Gesundheit zu stärken und die individuelle Gesundheitskompetenz zu fördern.
„Die Gesundheit der Mitarbeitenden ist das höchste Gut, und ohne Gesundheit ist alles nichts“ – dies gilt heute mehr denn je. Wir brauchen die Gesundheit der Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten: um produktiv zu bleiben, um wirtschaftlich arbeiten zu können, um unsere Gesellschaft zu versorgen und, wie ich finde, auch um Freude an der Arbeit in genau diesen wertvollen Berufen zu empfinden. Das Wohlbefinden in einem Beruf, das stimmige Gefühl mit dem Team und der Führungskraft, ist eine nach wie vor unterschätzte Bindung und Identifikation mit meinem Arbeitsplatz. Wir sind Menschen, die sich in ihrem Alltag sicher, wertgeschätzt und gesehen fühlen wollen. Nur dann können wir stressige, anstrengende Phasen gut überstehen und danach wieder zu Kraft kommen. Das „Funktionieren“ in vielen Bereichen geht zulasten der Gesundheit und führt auf Dauer zu Dienst nach Vorschrift bis hin zu Krankheiten und/oder Fluktuation.
Die Menschen, die sich für die Gesundheit anderer einsetzen, müssen genauso im Fokus der betrieblichen Gesundheitsförderung stehen wie andere Branchen. Es geht um die Qualität der Versorgung und das Hinsehen in den Berufen, bei denen man vielleicht voraussetzt, dass Gesundheit selbstverständlich ist.
Autorin: Anne Fürwentsches